Foto: Simone Stähn, Focus-S.de
Januar 2018 | Interview: Marc Thiele
Roman Vintage - vielen auch bekannt unter dem Namen Tocadisco – ist ein weltweit gefragter DJ und Musiker, mit Wurzeln in Mönchengladbach. Aktuell ist er mal wieder öfters in der Heimat und sorgt in der lokalen Partyszene mit Events wie der sehr erfolgreichen Rock Babylon Party im Projekt 42 für ein volles Haus und frischen Wind. Wir sprachen mit ihm über seine Wurzeln, seinen Werdegang und seine Zukunft spläne.
Momentan ist es in Brasilien ein wenig schwierig. Der Wirtschaft geht es nicht gut und man muss halt schauen, wie man weiterkommt. Aber ich bin ja eh weltweit unterwegs und ständig zwischen Südamerika und Europa gependelt.
Stimmt, das war mein erster richtiger Resident- Job, zusammen beim Henry Storch, den ich aus dem Rock Babylon in Giesenkirchen kenne und der ja jetzt auch auf der Revivalparty mit aufgelegt hat. Ich habe damals viel für ihn gemacht: Flyer, bei der Organisation geholfen. Nebenbei habe ich auch selber in Bands gespielt, als DJ aufgelegt und viele verschiedene Partys organisiert – Studentenpartys, Hip-Hop-Partys, Jazz-Partys. Dann kamen Acid-Jazz-Bands wie „Corduroy“ oder „Mother Earth“, die ins Rock Babylon gebucht wurden und ich habe dann mitgeholfen, die zu betreuen.
Ich bin da sehr breit gefächert. In meiner Musiksammlung befinden sich alle möglichen Musikrichtungen. Viele Leute sind da eingefahren, mögen eine bestimmte Musikrichtung und nichts anderes und bei mir ist es halt schon immer so gewesen, dass ich sehr viel Verschiedenes mag. Ich mag Rock, Reggae, Jazz, Funk, Soul und natürlich viel elektronisches – es ist schwierig zu sagen, wie ich entscheide, was ich gut finde, aber ich tendiere meist zu den ungewöhnlicheren, kreativen und ausgefallen Künstlern.
Ich habe mit 10 Jahren angefangen Schlagzeug zu spielen, dann habe ich in verschiedenen Bands gespielt. In der Schule hab ich dann Mittel- und Oberstufenpartys organisiert und dort auch schon als DJ aufgelegt. Der Vorteil beim DJen gegenüber der Band ist, das Du alleine performen kannst, weniger Organisationsaufwand besteht und DU dementsprechend auch mehr verdienst. Anfang 2000 bin ich nach Köln gezogen und habe ich dann angefangen, professionell elektronische Musik zu produzieren.
Damals, also 2003, als ich mit „Nobody likes the records that i play“ in den Charts war, waren die Szene und die Welt ja noch ganz anders als heutzutage. Da konnte man aus einem sozusagen Schlafzimmerstudio noch in die Charts kommen, weil die Szene stark war, es gab die Loveparade, es war halt weiter verbreitet. Momentan ist es ja so, dass die Musik, die in den Charts gespielt wird, eher die Musik ist, die von Major Labels gesteuert wird. Es kommt selten mal jemand aus der Independentecke durch, der kein großes Label hinter sich hat. Das hat sich seit damals alles verändert. Früher war es einfacher. In der Hochzeit, also von 2003 bis etwa 2013 war es dann schon so, dass Leute mich auf der Straße erkannt haben. Das Video lief dauernd, damals gab es ja noch Viva und MTV, die meine Musik gespielt haben. Diese Leute kennen mich aber die sind mittlerweile auch alle 40.
Als „Nobody“ rauskam und erfolgreich war, gingen natürlich alle Türen auf. Ich habe die ganzen guten Remixe bekommen, es kam zum Deal mit Superstar Records, die dann natürlich alles gepushed haben. Dann ändert sich eine Menge, denn wenn man mal erfolgreich ist, denken alle, dass jetzt alles erfolgreich ist und dann will jeder mit dir zusammenarbeiten.
Südamerika ist schon wirklich mein Lieblingsort. Chile, Peru, Argentinien, Brasilien. Die Leute dort feiern irgendwie ganz anders – etwa so wie bei uns früher, Ende der 90er, Anfang der 2000er. Die haben da eine unglaublich positive Energie. Jeder geht da jedes Wochenende raus. Es wird nicht gefragt, ob man ausgeht, sondern nur wann und wohin man ausgeht und wie lange. Hier hingegen ist das alles irgendwie ruhiger geworden. Lieber mal Netflix gucken. In Südamerika ist das irgendwie Teil der Kultur, sich mit Leuten zu treffen, zu reden. Alle trinken was, gehen essen bis zwei Uhr morgens und dann wird gefeiert bis sechs. In Spanien ist das ähnlich und bei uns hier halt etwas ruhiger.
Von allem Möglichen. Filme, Kunst, das tägliche Leben, andere Tracks. Ich bin immer auf der Suche nach neuen Wegen etwas miteinander zu kombinieren, was Erfolg hat und was vielleicht noch niemand kennt. Man muss halt ständig neugierig sein. Das entspricht auch meiner Persönlichkeit. Ich will immer was Neues kennen lernen. Sowas kickt mich, ebenso wie ein DJ, der Sachen spielt, von denen ich keine kenne. Das macht mich Glücklich, wobei das bei 80 % der Menschen genau umgekehrt ist. Die wollen meistens abends das hören, was sie schon morgens beim Aufstehen und mittags bei der Arbeit gehört haben. Abends gehen die dann weg und wollen genau dieselben Hits wieder hören. Das fi nde ich ganz schlimm.
Ich habe als Tocadisco mit BMG einen Publishing Deal gemacht und wir arbeiten gerade an verschiedenen neuen Singles. Ich will aber auch die „Roman- Vintage“-Geschichte noch weiter nach vorne bringen, in die Richtung Jazz, Soul, Funk und Rock. Das sind aktuell meine beiden Baustellen.
Ich werde beides weitermachen aber es ist ja so, dass man pro Musikrichtung ein eigenes Projekt und ein eigenes Branding erstellt. Es gibt halt so viele Musiker und DJs, dass es für die Leute schwer ist zu diff erenzieren, wenn sie von einer Person mehrere Sachen geliefert bekommen. Deswegen lieber verschiedene Brandings. Roman Vintage ist alter Sound, wie Jazz, Soul und Rock und Tocadisco ist elektronisch. House, Techno, Techhouse, Clubmusik.
Für mich ist es schön, wieder mal wieder öft ers hier zu sein. Ich war ja seit 2003 nur sporadisch hier und da waren Gigs hier immer Highlights für mich. Meine Familie und Freunde wohnen in Mönchengladbach, deswegen komme ich immer wieder gerne her. Ich fand das musikalische Angebot hier in der Altstadt halt recht eingeschränkt. Es ist schade, dass hier keiner mehr spannende Locations aufmacht, die eine bestimmte Richtung verfolgen, so wie früher. Man macht zum Beispiel eine Bar oder Club auf und spielt da einen bestimmten Sound und dafür war die Bar dann bekannt. Heute spielt jeder Standard-ChartChartmusik oder poppigen Hip-Hop, RnB oder was auch immer. Es ist alles so gesichtslos und das finde ich schade.
Den Sicherheitsfaktor finde ich jetzt nicht so schlimm. Eine andere Altstadt ist nicht unbedingt sicherer oder unsicherer als die hiesige. Es ist nun mal so, manchmal kracht es, wenn Menschen feiern und Alkohol trinken. Ich finde es aber schade, dass die Inhaber der Bars sich gar keine Mühe geben, nach außen hin ein schöneres Bild der Altstadt zu kreieren. Die meisten Läden sind halt zugetagged oder mit Graffiti beschmiert, vieles sieht irgendwie aufgegeben aus. Jedes Mal, wenn ich Fremde mit herbringe, schlagen die ihre Hände über dem Kopf zusammen und fragen mich, wo wir denn jetzt hingehen. Die denken dann, wir gehen in die übelsten Kaschemmen. Das ist die eine Sache, die andere ist die fehlende Eigeninitiative. Es gibt ja schon einige Initiativen hier in der Altstadt, aber irgendwie ist immer noch die Denke da, irgendwer wird’s schon regeln. Wenn man es schöner haben will, muss man es halt selber schöner machen, weil einem keiner hilft.
Ich habe in Brasilien ja schon mal eine Bar und Restaurant aufgemacht. Dort wurde sowohl Live-Musik gespielt und es legten DJs auf. Das war immer mein Traum, aber ich habe da auch gemerkt, wie schwieriges es ist. Kein einfaches Business. Babak von der Nacht ist mein bester Freund, da hat man einen guten Einblick, was es voraussetzt, überhaupt so lange in dem Business erfolgreich zu sein. Ich finde auch, dass er es genau richtig macht. Lieber ein paar kleine Läden als einen großen, in den du jedes Wochenende fünfhundert Leute kriegen musst.
Die Rock Babylon Party werden wir wohl in Zukunft nur noch einmal im Jahr machen. Dann ist es für die Leute einfach was Besonderes, aber ich werde wohl – wahrscheinlich auch im Projekt – eine Party machen, die vom Musikstil ähnlich ist, die aber mehr Unterhaltungswert hat, die ein bisschen wie ein Zirkus ist, mit Gogo-Tänzerinnen im 60er-Jahre-Stil, einer Schlangentänzerin wie bei „From Dusk till dawn“, ein bisschen freaky mit Zirkussachen und so. Ich glaube, so etwas fehlt hier in Mönchengladbach. Man muss den Leuten mal etwas bieten. Ein bisschen so wie Studio 54.